Offener Brief des BdWi an Frank-Walter Steinmeier zur Repression in der Türkei
Der offene Brief des BdWi (Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) kann gerne weiter verbreitet werden. Er hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
mit großer Sorge und Empörung beobachten wir den repressiven Umgang der türkischen Regierung mit kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Am 10. Januar 2016 veröffentlichten die Baris icin Akademisyenler (AkademikerInnen für den Frieden) den Aufruf „Wir, die AkademikerInnen und WissenschaftlerInnen dieses Landes, werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“.
Über 1.100 UnterzeichnerInnen protestieren mit ihrer Unterschrift gegen die militärischen Maßnahmen der türkischen Regierung in den kurdischen Gebieten und gegen die Zivilbevölkerung. Es wird von den Konfliktparteien gefordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine friedliche Lösung des Konflikts anzustreben.
Diese Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung als WissenschaftlerInnen zog eine beispiellose Verunglimpfungs- und Kriminalisierungskampagne nach sich.
Die einflussreiche AKP-nahe Zeitung Sabah bezichtigte die InitiatorInnen und UnterzeichnerInnen des „Verrats“ und warf ihnen vor, das „Gedankengut von PKK und HDP“ zu verbreiten. Präsident Erdogan erklärte die UnterzeichnerInnen zu „Vaterlandsverrätern“, der türkische Hohe Rat für Bildung (YÖK) leitete eine Untersuchung ein und kündigte an, dass sich derartige Ereignisse „nicht noch einmal wiederholen würden.“ Sehr zügig wurden erste Disziplinarverfahren gegen die WissenschaftlerInnen eingeleitet. Ihnen drohen Entlassungen, Berufsverbote und Verhaftungen.
Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) unterstützt den Aufruf der AkademikerInnen für den Frieden und erklärt den betroffenen türkischen und kurdischen KollegInnen seine volle Solidarität.
Wir erwarten, dass die türkische Regierung die Autonomie und Meinungsfreiheit der AkademikerInnen für den Frieden respektiert. Denn Kritik am demokratischen Staat und an den Handlungen von Regierungen ist ein demokratisches Grundrecht.
Die Kritiker zu verunglimpfen, sie strafrechtlich zu verfolgen und mit Verlust ihrer beruflichen Positionen als WissenschaftlerInnen zu bedrohen, widerspricht dem Selbstverständnis demokratisch verfasster Staaten. Dies gilt auch für die Türkei, die das Ziel verfolgt, Mitglied der Europäischen Union zu werden.
Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
mittlerweile haben die Botschafter der USA und Großbritanniens gegen die autoritären Maßnahmen der türkischen Regierung Stellung bezogen. Wir halten es für notwendig, dass auch die deutsche Bundesregierung der türkischen Regierung gegenüber nachdrücklich diese Verletzung elementarer Grundrechte beanstandet und darauf hinwirkt, dass die Untersuchungen gegen die AkademikerInnen für den Frieden sofort eingestellt und Disziplinarmaßnahmen rückgängig gemacht werden, damit sie ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen und sich als demokratische Bürger und Bürgerinnen ihres Landes frei äußern können.
Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüßen
Torsten Bultmann Steffen Käthner
(Geschäftsführer des Bunds demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler / BdWi)